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Auf die miese Tour.

Mag sein, dass man in früheren Zeiten mit dem Wort Reform in der Politik den ernstgemeinten Versuch verband, eine öffentliche Leistung oder Gesetzgebung an ihren eigenen Zielen gemessen zu verbessern. Heute höre ich Politiker und Technokraten von nötigen Reformen reden und höre nur: Privatisierung öffentlicher Leistungen, und damit eine weitere Ökonomisierung von sozial organisierten Sphären; eine Verschiebung des Kräfteverhältnis hin zum Arbeitgeber  und damit ein Re-Regulierung zu Lasten von Arbeitnehmern, Konsumenten und Bürgern. Das Vorgehen der türkisblauen Bundesregierung im Umgang mit sozialstaatlichen Institutionen ist ein schönes Beispiel dafür.

Der ehemalige englische Labour-Chef Tony Benn formulierte fünf Fragen, um die Mächtigen im öffentlichen Dienst auf ihre demokratische Legitimation zu prüfen:

  • Welche Macht haben sie?
  • Von wem haben sie diese Macht?
  • In wessen Interesse üben sie diese Macht aus?
  • Wem gegenüber müssen sie sich verantworten?
  • Wie werden wir sie los?

(Frag das zum Beispiel mal die Kommissare der Europäischen Kommission! Die werden sich höflich für die überaus guten Fragen bedanken und deren Wichtigkeit beteuern, um dann ausweichend über die Demokratie an sich zu schwurbeln. So zeigt man im neuen Stil den Stinkefinger!)  

Diese Fragen lassen sich nun ja erweitern bzw. verändern, um öffentliche Institutionen auf ihr Funktionieren zu prüfen:

  • Welche Leistung erbringen sie?
  • Warum erbringen sie diese Leistung?
  • In wessen Interesse erbringen sie diese Leistung?
  • Wie erbringen sie diese Leistung?
  • Wer profitiert von dieser Leistung?
  • Wie wird diese Leistung finanziert?

Entlang dieser oder ähnlicher Fragen müssten Regierungen ihre demokratischen Institutionen laufend evaluieren und gegebenenfalls Schritte einleiten, um sie effizienter zu gestalten.
Andererseits steht es aber natürlich jeder Regierung, jedem Politiker, jeder Privatperson in einer Demokratie frei, diese Leistung per se für müßig zu erklären, oder für eine gänzlich andere Organisation dieser Leistungserbringung zu plädieren. Man kann zum Beispiel anstatt einer gesetzlichen öffentlichen Krankenversicherung, ein System freiwilliger privater Versicherungen präferieren. Dann gilt es im demokratischen Prozess für die dafür nötigen Mehrheiten zu sorgen.

Die türkisblaue Bundesregierung macht beides nicht. Anstatt der AUVA konkrete Reformen zu verordnen, setzt sie ein arbiträres Sparziel, von dem sie  ausgeht, dass sie es eh nicht erreichen kann und daher geschlossen werden muss. Anstatt konkrete Pläne für eine reformierte Sozialversicherung vorzulegen, wettert sie gegen angebliche Mißstände und imaginierte Privilegien in eben dieser.

Daraus schließe ich, dass diese Regierung nicht die Verbesserung bestehender Institutionen im Sinn hat, sondern einen kompletten Umbau des Sozialsystems – ganz im eingangs erwähnten Sinne des Worts Reform. Aber das spricht sie nicht aus. Sie versucht alles, um die öffentliche, demokratische Diskussion über ihr Vorhaben zu unterbinden. Das lässt zwei Schlüsse zu: sie hält nicht sehr viel von demokratischer Meinungsbildung; sie denkt, dass die nicht in ihrem Sinne verlaufen wird.

Auf letzteres deutet die gewählte Strategie des Säens von Missgunst und Zwietracht hin. Auf ersteres schon allein die Anwesenheit von Vizekanzler HC “wenn-wir-könnten-würden-wir’s-wie-Orban-machen” Strache.

 

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